Barrierefreiheitsbeauftragte
Menschen mit Behinderungen stoßen immer wieder auf Barrieren, die ihre Teilhabe in wichtigen Lebensbereichen, wie etwa die Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben, erschweren oder gar verunmöglichen. Zur Förderung der Barrierefreiheit wurde daher im Behinderteneinstellungsgesetz eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Barrierefreiheitsbeauftragten verankert.
Bereits der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012–2021 sah die Einrichtung von Barrierefreiheitsbeauftragten in allen Bundesministerien vor (Maßnahme 73). Die Erfahrung zeigte, dass diese Maßnahme sowohl der Verbesserung der Barrierefreiheit, als auch der Sensibilisierung zum Thema Menschen mit Behinderungen in den einzelnen Bundesministerien diente.
Auf Grundlage dieser Erfahrungen wurde 2024 im Rahmen der Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) erstmals eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Barrierefreiheitsbeauftragten eingeführt (§§ 22c bis 22g BEinstG). Der Anwendungsbereich geht über die Bundesministerien hinaus, diese Verpflichtung gilt seit 1.1.2025 auch für Unternehmen, die mehr als 400 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen (§ 22h BEinstG).
Ziel ist die Förderung der Barrierefreiheit für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch für externe Personen, insbesondere Kunden und Kundinnen.
Barrierefreiheitsbeauftragte sollen bereits in der Planungsphase von Maßnahmen eingebunden werden, die für Menschen mit Behinderungen relevant sind. Eine von Beginn an barrierefreie Gestaltung vermeidet nachträgliche, oftmals kostspielige Adaptierungen und ist damit auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Barrieren können zudem eine Diskriminierung nach dem Behindertengleichstellungsrecht darstellen und damit unangenehme Rechtsfolgen, insbesondere die Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz, nach sich ziehen. Eine Vermeidung von Barrieren hilft somit auch, Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung zu vermeiden.
9 FAQs zu Barrierefreiheitsbeauftragten
Seit 19. Juli 2024 müssen folgende Stellen Barrierefreiheitsbeauftragte einrichten:
- alle Bundesministerien einschließlich ihrer nachgeordneten Dienststellen,
- Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof,
- Nationalrat, Bundesrat und Volksanwaltschaft, sowie
- Bundesverwaltungsgericht und Bundesfinanzgericht.
Seit 1. Jänner 2025 gilt diese Verpflichtung auch für Unternehmen, die mehr als 400 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen.
Barrierefreiheit ist erreicht, wenn für möglichst alle Menschen Einrichtungen, Dienstleistungen und Gebrauchsgegenständen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Barrierefreiheit ermöglicht die umfassende Teilhabe an der Gesellschaft und bringt oftmals auch ein Mehr an Sicherheit. Haltegriffe, Glastüren mit Kontrasten, rutschfeste Bodenbeläge oder für alle Menschen verständliche, gut wahrnehmbare Informationen in Gefahrensituationen dienen auch der Vermeidung von Unfällen.
Barrierefreiheit ist kein Minderheitenthema, sondern bringt Vorteile auch für Menschen ohne Behinderungen, denn Barrierefreiheit ist essentiell für 10 Prozent, notwendig für 40 Prozent und komfortabel für 100 Prozent der Menschen.
Zu den Aufgaben der Barrierefreiheitsbeauftragten zählen:
- Fragen der umfassenden Barrierefreiheit für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Kundinnen und Kunden
- regelmäßiger Austausch mit den jeweiligen Behindertenvertrauenspersonen und Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten in den Behindertenorganisationen
- Aufzeigen von Barrieren und Einbringen von Veränderungsvorschlägen
- Zusammenarbeit mit den Personen, die für die Umsetzung der Barrierefreiheit in den verschiedenen Bereichen zuständig sind, wie bspw. für Baumaßnahmen, die Ausstattung von Arbeitsplätzen, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit oder die Erstellung von Sicherheits-, Krisen- und Notfallplänen.
Auch wenn Barrierefreiheitsbeauftragte sich mit Fragen der umfassenden Barrierefreiheit zu befassen haben: Die Verantwortung für die Herstellung der umfassenden Barrierefreiheit liegt bei den Unternehmen bzw. den öffentlichen Stellen, die Barrierefreiheitsbeauftragte einrichten müssen.
Wenn im Einzelfall Spezialwissen zur Herstellung von Barrierefreiheit erforderlich sein sollte, können Unternehmen bzw. öffentliche Stellen externe Berater:innen hinzuziehen. Die Tätigkeit der Barrierefreiheitsbeauftragten kann aber nicht ausgelagert werden.
Das Gesetz legt keine Anzahl von Barrierefreiheitsbeauftragten fest, es müssen jedenfalls zwei Personen bestellt werden: ein Barrierefreiheitsbeauftragter bzw. eine Barrierefreiheitsbeauftragte sowie eine Stellvertretung.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber, dass es sinnvoll sein kann, mehrere Barrierefreiheitsbeauftragte zu bestellen, die jeweils für unterschiedliche Bereiche (z.B. für bauliche Barrierefreiheit und für digitale Barrierefreiheit) zuständig sind.
Bei der Bestellung von Barrierefreiheitsbeauftragten ist jedenfalls darauf zu achten, dass alle Standorte, wie z.B. nachgeordnete Dienststellen, Filialen oder Zweigstellen, abgedeckt sind.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Barrierefreiheitsbeauftragte können auch für mehr als einen Standort zuständig sein.
Barrierefreiheitsbeauftragte müssen dem Personalstand der öffentlichen Stellen bzw. der Unternehmen angehören, die Bestellung bedarf ihrer Zustimmung.
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass – ihr Einverständnis vorausgesetzt – manchmal auch Behindertenvertrauenspersonen als Barrierefreiheitsbeauftragte bestellt werden. Dies ist grundsätzlich zulässig. Allerdings braucht es spezielle Rahmenbedingungen, dass beide Aufgaben gut erfüllt werden können.
Grundsätzlich sollten daher die Funktionen durch unterschiedliche Personen ausgeübt werden. Barrierefreiheitsbeauftragte sind im Übrigen gesetzlich verpflichtet, den regelmäßigen Austausch mit den jeweiligen Behindertenvertrauenspersonen zu pflegen.
Behindertenvertrauenspersonen:
- müssen dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehören; die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten wird durch einen Bescheid des Sozialministeriumservice festgestellt, zentrale Voraussetzung ist ein Grad der Behinderung von 50 %,
- werden von den im Unternehmen bzw. der Dienststelle beschäftigten begünstigten Behinderten gewählt,
- sind berufen, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der im öffentlichen Dienst bzw. im Unternehmen beschäftigten begünstigten Behinderten im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw. der Personalvertretung wahrzunehmen.
Barrierefreiheitsbeauftragte:
- sind Menschen mit oder ohne Behinderungen,
- werden vom Dienstgeber bzw. der Dienstgeberin bestellt
- sind berufen, sich mit Fragen der umfassenden Barrierefreiheit für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie für Kundinnen und Kunden zu befassen.
Das Behinderteneinstellungsgesetz enthält keine Regelungen zur Ausbildung von Barrierefreiheitsbeauftragten.
Das bereits seit 2006 geltende Behindertengleichstellungsrecht enthält ein Diskriminierungsverbot, das auch Diskriminierungen aufgrund von Barrieren umfasst. Sowohl der Bund als auch Unternehmen mussten sich daher schon in den letzten beiden Jahrzehnten mit dem Thema Barrierefreiheit für Mitarbeiter:innen und Kund:innen mit Behinderungen ernsthaft auseinandersetzen.
Wesentliche Informationen zur baulichen Barrierefreiheit enthalten die OIB-Richtlinie 4 „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ des Österreichischen Instituts für Bautechnik (siehe: www.oib.or.at/de/oib-richtlinien/richtlinien/2019/oib-richtlinie-4), die Europäische Norm EN 17210 Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung – Funktionale Anforderungen, die aktuell überarbeitet wird und in Zukunft als harmonisierte Norm unter https://useradmin.austrian-standards.at/action/de/public/campaign/hen frei zugänglich gelesen werden kann sowie die ÖNORM B 1600 – Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen, die bei Austrian Standards International käuflich zu erwerben ist.